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Literaturwissenschaftsseminare > Puritanismus > 1 Einführung

Literatur und Kultur des Puritanismus

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2020/21 (online)

 

1 Einführung und geschichtlicher Hintergrund: Die Puritaner und die englische Reformation

Die Epoche des Puritanismus wird unterschiedlich weit gefasst, eine gängige Datierung ist jedoch der Zeitraum von 1620 bis 1750 n. Chr. Er beginnt mit der Landung des Schiffes Mayflower in Cape Cod im Spätherbst 1620 und endet mit der Vertreibung des Predigers Jonathan Edwards, einem Hauptvertreter des Great Awakening, aus der Gemeinde Northampton im Jahr 1750.

Der Begriff „Puritanismus“ ist wie „Expressionismus“ oder „Barock“ ein Epochenbegriff, der sich um eine Periodisierung der Weltgeschichte bemüht. Dabei besteht die Gefahr des Mainstreamings unter dem Verlust von Parallel- und/oder Minderheitenentwicklungen. Auch Epochen sind letztlich immer Teile gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen und in der Regel nur selten mit eindeutigen Daten und klaren inhaltlichen Abgrenzungen versehen, vor allem an den Nahtstellen kommt es zu Überschneidung und Verwässerungen der einzelnen Epochen. Mit seiner scharfen Anfangsbegrenzung ist der Puritanismus daher eher ein Sonderfall, sein Endzeitpunkt wird in der Forschung durchaus kontrovers dikutiert.

Die Landung der Mayflower wird oft fälschlich auch an den Beginn der Besiedlung bzw. Kolonialisierung Nordamerikas durch die Europäer gestellt. Allein in der Neuzeit gab es jedoch mindestens seit der Mitte des 16. Jh.s eine Siedlung auf Neufundland, die im Jahr 1583 durch die britische Krone annektiert wurde, also immerhin 37 Jahre vor der Ankunft der Pilgerväter an der neuenglischen Küste. Nichtsdestoweniger markiert die Ankunft der Mayflower den Beginn der kontinuierlichen und expandierenden Ansiedlung europäischer Auswanderer auf nordamerikanischem Boden.

Die 102 Passagier der Mayflower befanden sich eigentlich auf dem Weg in die bereits etablierte Kolonie in Virginia. Nicht alle waren Puritaner (diese machten sogar nur etwa ein gutes Drittel der Überfahrenden aus), sondern es waren auch Arbeiter, Bedienstete oder Farmer sowie Abenteurer und Schuldner, die sich dem englischen Rechtssystem entziehen wollten, an Bord.

Die intrinsische Motivation der Puritaner war das Streben nach einer Befreiung und räumlichen Trennung von der Unterdrückung und Verfolgung durch die katholische Kirche und den englischen Staat. Geleitet vom Mythos des „erwählten Volkes“ suchten sie nach einem Neuanfang auf „unverbranntem“ Boden, wo sie ihre religiösen und sozialen Lebensgrundsätze uneingeschränkt verwirklichen wollten.

 

Hintergrund: Die Reformation

Die Reformation war eine kirchliche Erneuerungsbewegung (1517-1648), in deren Folge das Christentum in verschiedene Konfessionen zerfiel (katholisch, lutherisch, reformiert). Der Auslöser der englischen Reformation liegt in den 1520er Jahren: Heinrich VIII. forderte von Rom die Annullierung der kinderlosen Ehe mit Katharina von Aragon, was Papst Clemens VII. jedoch verweigerte. Die englischen Bischöfe wiesen daraufhin die Autorität des Papstes zurück und erklärten Heinrich VIII. zum Oberhaupt der katholischen Kirche von England. In dieser Lossagung von Rom erkannten diverse kircheninterne Gruppen, die schon länger nach einer Erneuerung gestrebt hatten, die Chance nachhaltiger Veränderungen. Auch die etwa seit der zweiten Hälfte des 16. Jh.s wachsende Gruppe der Puritaner, die stark durch den Genfer Calvinismus und die französischen Hugenotten beeinflusst war, forderten eine liturgische und moralische Neuausrichtung der Kirche. Der Puritanismus begann damit als Reformbewegung innerhalb der Englischen Kirche, nicht als Opposition. Ziel war eine Lebensführung ganz nach dem Willen Gottes.

Unter dem Kindkönig Edward VI. (Regierungszeit 1547-53) fanden unter dem Einfluss protestantischer Mentoren weitreichende Reformen statt. Seine Halbschwester und Nachfolgerin Mary (Regierungszeit 1553-58, „Bloody Mary“) bemühte sich um die Reetablierung des Katholizismus als Staatsreligion, doch die auf sie folgende protestantische Halbschwester Elisabeth I. (Regierungszeit 1558-1603) setzte Edwards Reformen fort und führte England in ein „Goldenes Zeitalter“. Mit Jakob I. (Regierungszeit 1603-25) wendete sich das Blatt erneut: Die Reform kam ins Stocken. Puritaner und Separatisten wurden wegen des Fernbleibens von den offiziellen Gottesdiensten verfolgt. Einen Ausweg bot die Migration nach Holland. Manche Auswanderer entschlossen sich von dort aus für eine Überfahrt nach Nordamerika. Der gänzliche Bruch mit der alten Heimat präsentierte sich für viele Puritaner als Chance auf Glaubensfreiheit und einen Neubeginn nach Gottes Willen.

 

Abb. 1 Die englische Reformation als Hintergrund der puritanischen Migrationsbewegung Grafik: KL

 

Im Seminar wurde ergänzend exemplarisch die Biografie von William Bradford besprochen, dem späteren Gouverneur von Plymouth Plantation.

 

⇒ 2 Finding and Founding: das Selbstverständnis der Pilgerväter