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Literaturwissenschaftsseminare > Puritanismus > 6 Erbe

Literatur und Kultur des Puritanismus

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2020/21 (online)

 

6 Das Erbe der Pilgerväter

Anfang des 18. Jh.s lässt der puritanische Einfluss in Neuengland nach. Unter den nachströmenden Einwanderern sowie den Nachkommen der Siedler wächst weiter das Streben nach Wohlstand und einem gut situierten Leben. Wirtschaftsinteressen und neue soziale Strukturen beginnen, die religiöse Lenkung der Gemeinden zu überlagern. Als Gegenbewegung entwickelte sich in den 1730er Jahren eine protestantische Erweckungsbewegung, in der es zu einer Wiederbelebung puritanischer (Glaubens-)Ideale kommt: das Great Awakening.

Das Great Awakening war primär eine innerkirchliche Bewegung, die sich sowohl in den neu-englischen Kolonien als auch in England manifestierte. Ihr zentrales Anliegen war die erneute Personalisierung und Emotionalisierung des Glaubens. Wie im Puritanismus standen die Erbschuld und die Notwendigkeit der Erlösung durch Gott im Mittelpunkt, im Rahmen der Betonung Frömmigkeit des Einzelnen trat auch das individuelle Bibelstudium wieder in den Vordergrund. In den Kolonien wurde das Great Awakening v. a. von dem Theologen und Priester Jonathan Edwards sowie dem (Wander-)Prediger George Whitefield getragen.

Whitefield war für seine laute, kraftvolle Stimme und seinen emotionalen, aufrüttelnden Predigtstil, der auch theatralische Einlagen auf der Kanzel beinhaltete, bekannt. Er besuchte die Kolonien 13mal und kam dabei 1740 in Edwards‘ Gemeinde nach Northampton. Das kraftvolle Zusammenwirken der beiden Geistlichen beflügelte und prägte die Kernzeit des Great Awakening. 1741 schleuderte Edwards seiner Gemeinde in seiner berühmten Predigt „Sinners in the Hands of an Angry God“ u. a. entgegen:

„All you that were never born again, and made new creatures, and raised from being dead in sin, to a state of new, and before altogether unexperienced light and life, are in the hands of an angry God. However you may have reformed your life in many things, […] it is nothing but his mere pleasure that keeps you from being this moment swallowed up in everlasting destruction. [….] The God that holds you over the pit of hell, much as one holds a spider, or some loathsome insect over the fire, abhors you, and is dreadfully provoked: his wrath towards you burns like fire […]. [….] Therefore, let every one that is out of Christ, now awake and fly from the wrath to come.“

Tatsächlich folgten auf diese Predigt zahlreiche Erweckungserlebnisse.

1744 konstatiert Edwards, dass seiner Ansicht nach nur Erweckte am Abendmahl teilnehmen sollten und geriet darüber in einen heftigen Konflikt mit seiner Gemeinde und der Kirche. Der Konflikt eskalierte über weitere Streitpunkte, bis Edwards sechs Jahre später, 1750, der Gemeinde verwiesen wurde. Er widmete sich ab diesem Zeitpunkt einer missionarischen Tätigkeit. 1758 starb Edwards an den Folgen einer Pockenimpfung.

 

Nachklang

Berichte aus erster Hand, wie William Bradfords Of Plymouth Plantation oder John Winthrops Journal, erlauben einen unmittelbaren Eindruck in die Zeit der ersten Siedler ab 1620, sind aber stark subjektivisch geprägt. Spätere Werke erlangen durch ihre zeitliche Distanz zwar potenziell ein stärkeres Maß an Objektivität, sind aber wiederum durch eigene, zeitgenössisch-ideologische und spirituelle Konzepte gefärbt, so z. B. Cotton Mathers' Magnalia Christi Americana (1702). Mathers‘ Werk prägte nachhaltig das Bild der puritanischen Emigration als „errand into the wilderness“ und das der Puritaner als „God‘s chosen people“.

Mehr als 100 Jahre später formt Nathaniel Hawthorne (1804-64) das literarische Bild Neuenglands des 17. Jh.s. The Scarlett Letter (1850), „The Minister‘s Black Veil“, „The Maypole of Merry-Mount“ u. a. Texte bestimmen in weiten Teilen unsere heutige Vorstellung von der „Besiedelung“ Amerikas. Für Hawthorne waren Engstirnigkeit und Heuchelei wesentliche Charakterzüge der Puritaner, eine Einschätzung die bis in unsere Zeit nachwirkt.

Ende des 19. Jh.s verschärft sich der kritische Ton weiter. Die ursprüngliche Gleichsetzung Puritaner = Separatisten = Freiheitstrebende wird ins Gegenteil verkehrt und den Puritanern vorgeworfen, anderen gerade das verwehrt zu haben, wonach sie selbst gestrebt hatten: (religiöse) Freiheit.

Anfang des 20. Jh. wird der Puritanismus zunehmend als explizit negativer Einfluss gesehen. Der Kulturkritiker Henry Louis Mencken (1880-1956) polemisiert, die Puritaner „[had] not only tried their damnedest to shut out every vestige of sound information, of clean reasoning, of ordinary self-respect and integrity; they absolutely succeeded in shutting these things out.“

Ab den 1930er Jahren beginnt eine erneute Re-Evaluierung, welche jedoch die mittlerweile etablierte Vorstellung von den Puritanern als prüde Feinde der Lebensfreude nicht mehr korrigieren kann. 1930 schuf der US-amerikanische Maler Grant Wood (1891-1942) sein vielschichtiges Werk American Gothic, das heute als eines der meistzitierten Werke der Malerei gilt und das zwei häufig aufgrund ihrer Bekleidung und ihres Ausdrucks als „typisch puritanisch“ bezeichnete Personen zeigt. In den 1950er Jahren schreibt der Dramatiker Arthur Miller das Stück The Crucible (dt. Hexenjagd), einen Kommentar auf die Kommunistenverfolgung unter Senator McCarthy, den Miller im Dorf Salem des Jahres 1692 spielen lässt und darin die Eskalation unbewiesener Anschuldigung (-> „Hexenverfolgung“) analysiert, um den Vereinigten Staaten ein – zeitlich versetztes – Spiegelbild vorzuhalten.

Heute locken „Living History“-Museen, in denen die Zeit der Pilgerväter wieder lebendig wird, zahlreiche Besucher an. Zu ihnen gehören das „Pioneer Village Salem“ oder vor allem „Plimoth Plantation“, in dem die erste Siedlung der Puritaner in den 1620er Jahre nachempfunden ist. „Plimoth Plantation“ fokussiert auf Aspekte der Siedlungsweise, wie Landwirtschaft, Handwerk, Sozialstruktur, sowie die individuelle Schicksale der dargestellten Personen, während religiöse Praktiken und Überzeugungen weitgehend ausgeklammert bleiben. Das Verhältnis der Pilgerväter und Natives wird romantisiert bzw. bleibt auf die die ersten Jahre beschränkt, in denen eine vergleichsweise harmonische Ko-Existenz vorherrschte.