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Literaturwissenschaftsseminare > Puritanismus > 5 Kunst und Ausdruck

Literatur und Kultur des Puritanismus

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2020/21 (online)

 

5 Literatur, Kunst und Ausdruck

Literatur

Abseits von Predigtentexten und Seelentagebüchern bieten die Autoren und Autorinnen des Puritanismus Einblicke in ihre Alltags- und Gefühlswelt. Im Seminar haben wir über Anne Bradstreet, Thomas Morton und Mary Rowlandson gesprochen.

Anne Bradstreet (1612-1672)

Bradstreet stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus, heiratete im Alter von 16 Jahren und führte offensichtlich eine glückliche Ehe, in der acht Kinder das Licht der Welt erblickten. Sie kam 1630 im Zuge der Great Migration in die Neue Welt und ließ sich mit ihren Mann in der Massachusetts Bay Kolonie nieder, in der in späteren Jahren sowohl ihr Mann als auch ihr Vater den Posten des Gouverneurs bekleideten. Bradstreet war die erste Dichterin englischer Sprache, die in der Neuen Welt publiziert wurde. Ihr bekanntestes Werk ist das Gedicht „Ode To My Dear and Loving Husband“. Im Seminar haben wir einen Auszug aus „The Prologue“ besprochen sowie „Verses upon the Burning of our House, July 10th, 1666“.

Thomas Morton (1575/6-1646/7)

Über Mortons Herkunft ist nichts bekannt; er wird geschichtlich erst greifbar, als er in London Jura studierte. 1622 war er Mitglied einer kleinen Neuengland-Expedition, 1624 folgte er Capt. Richard Wollaston nach Plymouth. Dort kam es schnell zu Unstimmigkeiten mit den puritanischen Siedlern, sodass Wollaston und Morton beschlossen, weiter nördlich eine eigene, neue Siedlung als Handelsposten zu gründen. In der Aufbauphase durchstreifte Morton die Umgebung und knüpfte Handelskontakte mit den dortigen Natives. 1626 wurde Morton Leiter der kleinen Siedlung, in der ungefähr sechs bis sieben weiße Händler ansässig waren. Er selbst nannte sich host, Gastgeber, was vielleicht einen Eindruck von seinem offenbar sehr lebenslustigen und liberalen Gemüt vermittelt. 1627 ließ Morton in der Siedlung einen Maibaum aufstellen und benannte die Siedlung in Ma-Re-Mount um, woraus sich schnell die Verballhornung „Merrymount“ entwickelte. Geschickt verstand Morton es, christliche und heidnische Bräuche der umliegend ansässigen Natives miteinander zu kombinieren, sodass es offensichtlich wiederholt zu ausschweifenden, mehrtägigen Festen kam – sehr zum Missfallen der benachbarten Puritaner. Zweimal ließen sich Morton unter fadenscheinigen Anklagen nach England deportieren, beide Mal wurde die Anklage fallengelassen und Morton kehrte nach Neuengland zurück, was jeweils zu erneuten Konflikten führte. 1637 erschien Mortons Schrift New English Canaan, die er selbst als „a manual on ‘how not to colonize’“ bezeichnete. Darin findet sich eine ganz andere Sicht auf die Neue Welt, als sie in den puritanischen Texten vorherrscht. Morton schreibt:

„And when I had more seriously considered of the beauty of the place, with all her faire endowments, I did not think that in all the known world it could be paralel'd, for so many goodly groves of trees, dainty fine round rising hillocks, delicate faire large plains, sweete cristall fountaines, and cleare running streames that twine in fine meanders through the meads, making so sweete a murmering noise to heare as would even lull the sences with delight to sleepe, so pleasantly do they glide upon the pebble stones, jetting most jocundly where they doe meete and hand in hand run down to Neptunes Court, to pay the yearly tribute which they owe to him as sovereigne Lord of all the springs.“

Die paradiesisch anmutende Schilderung gipfelt in dem unscheinbaren Satz: „I have found the Massachussetts Indian more full of humanity then the Christians.“

Mary Rowlandson (~1637-1711)

Rowlandson wurde 1675 während des King Philip‘s War bei einem Überfall der Natives auf Lancaster (Massachusetts) mit ihren Kindern gefangengenommen und verschleppt. Die beiden Älteren wurden von ihr getrennt, die jüngste, verletzte Tochter blieb bei ihr. Während Rowlandsons eigener Zustand sich von Tag zu Tag verbesserte, verstarb ihre Tochter während des Marsches. Nach einigen Monaten wurde Rowlandson gegen eine Lösegeldzahlung freigelassen und kam wieder mit ihrem Mann und den beiden älteren, ebenfalls freigekauften Kindern zusammen.

1682 veröffentlichte Rowlandson ihre Erinnerungen unter dem Titel The Soveraignty and Goodness of God, together with the Faithfulness of His Promises Displayed, im gleichen Jahr erschien der Text auch in London als A True History of the Captivity and Restoration of Mrs Mary Rowlandson. Er wurde zu einem der ersten Bestseller der US-amerikanischen Literaturgeschichte und bis ins 19. Jh. immer wieder nachgedruckt. Die Natives werden bei Rowlandson zu Instrumenten Gottes, der sie mit ihrer Gefangenschaft einer Prüfung unterzieht. Rowlandsons Text begründete ein eigenes literarisches Genre, die Captivity Narratives.

Die paradiesisch anmutende Schilderung gipfelt in dem unscheinbaren Satz: „I have found the Massachussetts Indian more full of humanity then the Christians.“

 

Kunst und Ausdruck

Die den Puritanern oft unterstellte Nüchternheit wird in diesem Themenkomplex konterkariert. Zu Tage tritt bei genauerer Betrachtung eine große Liebe zum künstlerischen und literarischen Detail. Dazu haben wir uns im Seminar folgende Beispiele angesehen.

  1. Textform des pattern poem (Vorläufer der modernen Konkreten Poesie)
    Beispiel: Edward Taylor, Elegie auf den Tod von Charles Chauncy (Text in Gebäudeform arrangiert)
  2. Metaphern/Sprachbilder
    Beispiel: William Bradshaw, A Meditation of Mans Mortalitie, London, 1621 (Menschen als Pflanzen in Gottes Haus)
  3. Wortspiel mit der Doppelbedeutung des Verbes to draw als „zeichnen“ und „heranziehen“ sowie Kapitelanfänge mit Initialen und Kopfbildern
    Beispiel: Richard Vines (1600-1655/6), Gods Drawing, and Mans Coming to Christ, 1662
  4. Character Writing (Unterform des life writing, der Biographie)
    Beispiel: Cotton Mather betrachtet sich selbst als Porträtmaler (cross-over Literatur – Malerei) (The Good Old Way, 1706 und Desiderius, 1719). In dem Text Desiderius, den Mather anlässlich des Todes von George Keith schrieb, beschreibt er den Vorgang des Schreibens wie folgt: „A Man Greatly Beloved: It was HE who Satt, for my Pencil to take the Features from him!“

 

Kleidung und Porträtkunst

Hier lag unser Fokus auf den beiden Familienporträts der Familie Freake, die in den Jahren 1671 und 1674 (Überarbeitung) in Boston entstanden. Die Freakes waren Angehörige der aufsteigenden kaufmännischen Elite. Die Bilder sind im Elisabethanischen Stil gemalt, das Hauptaugenmerk liegt auf den Konturen und Details der Kleidung. Beide Bilder wurden vermutlich als Ensemble geplant und umgesetzt. Die Originale entstanden im Jahr 1671, drei Jahre später erfolgte eine Überarbeitung mit z. T. deutlichen Veränderungen, die sich zum einen in Details der Kleidung ausdrücken, insbesondere aber auch die Ergänzung der jüngsten Tochter auf dem Porträtbild der Mutter umfassen. Wie andere ihrer Zeitgenossen zeigen die Freakes offenbar gerne ihren erworbenen Wohlstand, den die aufstrebenden Kaufleute dieser Zeit als einen Gunstbeweis Gottes interpretierten, sodass in dieser Zurschaustellung materieller Werte zunächst keine Abwendung von religiösen Überzeugungen zu sehen ist.

 

⇒ 6 Das Erbe der Pilgerväter