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Streifzug durch die Literaturwissenschaften: Textgattungen und Literaturklassiker
Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Sommersemester 2020 (online)
2 Textgattungen 2: Epik – Großform Roman
Die Großform des Romans ist Teil der narrativen Epik. Sie entwickelt sich aus dem Epos, anschließend wird der Begriff „Epos“ selbst zu einer Unterform des Romans. Sie steht nun dem „Vers-Epos“ gegenüber (vgl. Milton, Das verlorene Paradies). Der Roman berichtet zunächst in Vers-, später in Prosaform erzählerisch von Ereignissen aus unterschiedlichsten Themenkreisen. Dank seiner geringen Formstrenge gilt der Roman als „freieste“ literarische Form.
Abb. 1 Die klassischen Textgattungen mit Unterkategorien im Überblick unter Hervorhebung der Gattung „Epik“ und der Großform „Roman“. Grafik: KL
Im Roman können verschiedene Erzählperspektiven eingenommen werden. Zu den wichtigsten gehören:
- Ich-Erzähler Durch die Augen des Ich-Erzählers kommt es zu einer starken Subjektivierung der Schilderung; der Erzähler ist meist Teil der Erzählung (Rand- oder Hauptfigur) und verfügt nur über eine eingeschränkte Perspektive, d. h., es gibt Informationen, die ihm fehlen und die seine Sicht auf die beschriebenen Ereignisse potenziell unzuverlässig macht. Der Ich-Erzähler entspricht dem lyrischen Ich der Dichtung.
- auktorialer Erzähler Dieser Erzählertypus wird auch als allwissender Erzähler bezeichnet. Er ist i.d.R. nicht Teil der Geschichte, sondern kommentiert häufig das Geschehen. Er wird für den Leser leicht zu einer Orientierungsinstanz (nicht aber zu einer Identifikationsfigur), der die Ereignisse einordnet und bewertet; dabei kann der auktoriale Erzähler räumliche und zeitliche Distanzen überwinden (Vor- und Rückgriffe). Er besitzt außerdem Einblick in das Seelenleben aller Figuren der Handlung.
- personaler Erzähler Dieser Erzähler tritt hinter die Personalpronomen „er/sie“ zurück; er verschmilzt quasi mit einer definierten Figur des Romans und kann diese Perspektive – anders als der auktoriale Erzähler – nicht wechseln. Tiefere Einblicke gibt es daher praktisch nur in diese sogenannte Reflektorfigur, ansonsten herrscht eine beobachtende Erzählsituation vor.
Als Beispiele wurden im Seminar Auszüge aus den beiden folgenden Romanen besprochen, deren Handlungen jeweils aus der Perspektive eines Ich-Erzählers erzählt werden. Es liegen jedoch sehr unterschiedliche Figurenführungen vor. Diese resultiert in beiden Fällen – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – in Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Erzählers und damit in der Frage, inwieweit diese sich als Identifikationsfiguren eignen. Da beide Erzähler zugleich auch nicht Haupt-, sondern eine Randfigur des Geschehens sind, fokussiert die Aufmerksamkeit des Rezipienten ohnehin stärker auf die schillernden Hauptfiguren (Jay Gatsby einerseits, Kapitän Ahab und der weiße Wal andererseits).
- F. Scott Fitzgerald: Der Große Gatsby (1925)
⇒Fokus: Ich-Erzähler, Gesellschaftsporträt, Liebe Besprochen wurden drei Textauszüge, in denen jeweils das grüne Licht Erwähnung findet, dass Gatsby über die Bucht hinweg am Ende des Piers des Anwesens der Buchanans sehen kann. F. Scott Fitzgerald (1896-1940) veröffentlichte 1920 seinen Debütroman Diesseits vom Paradies, der ihn über Nacht berühmt machte. In den folgenden Jahren führte er einen ausschweifenden Lebensstil und veröffentlichte mehrere Romane und Kurzgeschichten. In den 1930er Jahren war Fitzgerald, der an seinen Debüterfolg nicht wieder anknüpfen konnte, fast vergessen. Zur Aufbesserung seines Einkommens war er als Drehbuchautor in Hollywood tätig. In depressiven Schüben wähnte Fitzgerald sich einen schlechten Schriftsteller, eine Einschätzung, die sich zu einem nicht unerheblichen Teil aus dem kontinuierlichen Vergleich mit dem befreundeten und erheblich erfolgreicheren Ernest Hemingway speiste. Alkoholismus und Gewaltbereitschaft belasteten seine Ehe mit Zelda Sayre, die an Schizophrenie litt, was das Zusammenleben des ehemaligen Glamour-Paares weiter erschwerte. 1940 verstirbt Fitzgerald nach zwei Herzinfarkten in der Überzeugung, als Schriftsteller versagt zu haben. Erst in den 1970er Jahren wird sein Werk wiederentdeckt, u. a. auch aufgrund der Verfilmung von Der Große Gatsby mit Robert Redford im Jahr 1974 (2013 erfolgte eine weitere Verfilmung mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle, deren Ästhetik und musikalische Ausrichtung auf ein heutiges Publikum ausgerichtet sind).
- Herman Melville: Moby Dick, oder, Der Wal (1851)
⇒Fokus: Ich-Erzähler, Gesellschaftsporträt, moderner Mythos Besprochen wurden Auszüge aus den Kapiteln „Kimmungen“, „Der Masttopp“, „Das Achterdeck“, „Der Schwanz“ und „Die Kerzen“ Herman Melville (1819-1891) erlebte 1842-1847 als junger Mann abenteuerliche Jahre zur See als Schiffsjunge, Matrose und Steuermann. Die literarische Verarbeitung seiner Erlebnisse brachte ihm große Erfolge ein (Taipi, 1846, und Omu, 1847). Er verlor seine Leserschaft jedoch, als er sich vom reinen Erlebnisroman abwandte. 1851 erschien mit Moby-Dick; oder: der Wal Melvilles opus magnum, von dem zu seinen Lebzeiten jedoch nur etwa 3000 Exemplare verkauft wurden. Es gelang Melville nie wieder, an seine frühen Erfolge anzuknüpfen. Erst in den 1920er Jahren wurden seine Texte wiederentdeckt. Moby-Dick zählt seitdem zu einem der wichtigsten Werke der Weltliteratur.
Als Hausaufgabe wurde aus Melvilles Moby-Dick ein Auszug aus dem Kapitel „Die Dublone“ besprochen.
⇒ 3 Textgattungen 2: Epik, Kleinform Kurzgeschichte
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