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Literaturwissenschaftsseminare > Streifzug > 4 Drama

Streifzug durch die Literaturwissenschaften: Textgattungen und Literaturklassiker

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Sommersemester 2020 (online)

 

4 Textgattungen 3: Drama

Der Begriff „Drama“ leitet sich von dem griechischen Wort für „Handlung“ ab. Das Drama stellt eine der drei „natürlichen Grundformen“ der Dichtung dar (vgl. Einteilung bei Aristoteles), bei den anderen beiden handelt es sich um Lyrik und Epik.

 

Abb. 1 Die klassischen Textgattungen mit Unterkategorien im Überblick unter Hervorhebung der Gattung „Drama“. Grafik: KL

 

Epik, Lyrik und Drama grenzen sich nicht nur durch formale und inhaltliche Kriterien voneinander ab, sondern auch durch ihre inhärenten Erzählperspektiven, ihre (gefühlte) Geschlossenheit und die emotionale Ansprache des Rezipienten.

 


Die klassischen drei Textgattungen Lyrik, Drama und Epik im Vergleich

 

LyrikDramaEpik
subjektiv
stimmungsgetragen
individuelles Erleben
Einzelereignis
Bekenntnischarakter
In sich geschlossene Handlung
konsequente Begleitung der Handlungsentwicklung
unmittelbare Vergegenwärtigung in Monologen und Dialogen
Szenenanweisungen
„objektiv“
emotional bis faktisch
Vielzahl der Erzählperspektiven
Stofffülle vergangener/synchroner Ereignisse

 

Handlungsursprung des Dramas sind i.d.R. polarisierende Kräfte oder bereits zu Beginn des Textes schwelende Konflikte, die im Verlauf des Geschehens eine Steigerung erfahren, bis sie in der Tragödie eine kataklystische Auflösung finden, die häufig mit dem Tod der Hauptfigur(en) einhergeht. Insgesamt ist das Drama durch ein Widerspiel von Aktion und Reaktion gekennzeichnet.
Der klassische Aufbau sieht eine Unterteilung der Handlung in fünf Akte vor, auf die sich der Handlungsverlauf wie folgt verteilt.

  1. Einleitung / Exposition
  2. Steigerung mittels „erregender Momente“
  3. Höhepunkt des Konflikts
  4. Umschwung mit Retardation
  5. Schluss

In der Tragödie bestimmt und besiegelt die (finale) Katastrophe das Schicksal des Helden zum unausweichlich Schlimmen. Rückblickend erscheint es unter Kenntnis der Figureneigenschaften oftmals unausweichlich.

Der formalistische Aufbau des Dramas wirft die Frage auf, ob es dadurch zu einer Korsettierung des Stoffes kommt. Um dies zu vermeiden, kennt die Textgattung Drama eine Reihe formaler und inhaltlicher Kunstgriffe, die es dem Autor erlauben, auch in dieser Textform zeitlich und räumlich in die Breite zu gehen und sich dem Zwang der kontinuierlichen Vergegenwärtigung der Handlung zu entziehen. Beispielsweise ist ggf. zum besseren Verständnis des Geschehens die Kenntnis einer mehr oder weniger detaillierten Vorgeschichte erforderlich, die jedoch aufgrund der vergegenwärtigten Handlung nicht ohne Weiteres dargelegt werden kann. Um diese Informationen dennoch integrieren zu können, finden sich im Drama z. B. „erzählende Dialoge“, in denen die Figuren selbst im Rahmen einer Unterhaltung vergangene Ereignisse schildern. Alternativ können diese Hintergründe in die formal distinguierte Form des Prologs ausgelagert werden, ggf. erfolgt ihre Aufdeckung auch versatzstückhaft im Laufe des Handlungsgeschehens. Innerseelische Konflikte der Hauptfigur(en) werden oftmals mit Hilfe unterschiedlicher Lebenseinstellungen und -entwürfe veranschaulicht oder als Auseinandersetzung mit einer antagonistischen Macht (realer Gegenspieler, Schicksal, Sitte/Etikette, Charakter, Intrige) erkennbar.

Im Seminar wurden Auszüge aus zwei Texten betrachtet und dabei das Augenmerk auf die Monologform gelegt, welche ein Stück weit als Entsprechung des lyrischen Ichs in der Lyrik und des Ich-Erzählers in der Epik betrachtet werden kann.

  • William Shakespeare Hamlet, Prinz von Dänemark(~1601)
    ⇒ Auseinandersetzung mit einem realen Gegenspieler (Claudius) und einer von diesem gesponnenen Intrige (Krone) vor dem Hintergrund einer Verfehlung im Bereich Sitte/Etikette (Heirat mit Gertrude)
    ⇒ Monolog „Sein oder Nichtsein“(⇒ unterschiedliche Lebenseinstellungen)

    Der englische Dramatiker, Lyriker und Schauspieler William Shakespeare (1564-1616) schrieb mit seinen Tragödien, Historien und Komödien Geschichte. Sie gehören zu den bedeutendsten Dramen der Weltliteratur und begeistern bis heute weltweit ein großes Publikum mit der ungebrochenen Aktualität ihrer Themen und der kunstvollen, lebensnahen Umsetzung ihrer Inhalte. Shakespeares überliefertes Gesamtwerk umfasst 38 Dramen, epische Versdichtungen und 154 Sonette. Sie alle bilden den umfangreichen Wortschatz ihres Autors ab, der zahlreiche bis heute verwendete Neologismen schuf und sprachlich eine eindrucksvolle stilistische Vielfalt zeigt, die mühelos Ausdrucksweisen und Umgangsformen der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten abzubilden vermag. Unter Elisabeth I. trat Shakespeare mit den Lord Chamberlain‘s Men auf und schrieb selber Stücke für die erfolgreiche Schauspieltruppe, die sich unter Jakob I. in King‘s Men umbenannte. Die wohl wichtigste Spielstätte war das Globe Theatre in London. Shakespeare war jedoch nicht nur als Autor erfolgreich, sondern auch Geschäftsmann und Grundstücksinvestor, v. a. in seiner Heimatstadt Stratford-upon-Avon rund 160 km nordwestlich von London. Er brachte es zu Wohlstand und war sicher eine treibende Kraft hinter der Gewährung eines Wappens an seinen Vater John im Jahr 1596. William erlangte auf diese Weise die Standesbezeichnung „Gentleman“, was für ihn einen erheblichen gesellschaftlichen Aufstieg bedeutete.
    „Stratfordianer“ und „Antistratfordianer“ streiten in der Forschung darum, ob die historische Figur William Shakespeare tatsächlich Urheber der ihm zugeschriebenen Stücke ist oder ob der Name als Pseudonym verwendet wurde und die Stücke tatsächlich aus der Feder eines anderen Autors oder anderer Autoren stammen.
  • John Milton: Das verlorene Paradies (1667)
    Miltons Das verlorene Paradies ist eigentlich kein Drama, sondern wird als Dramatisches oder Episches Gedicht eingeordnet, wodurch es in die Textgattung Lyrik zu stellen ist. Wie die beiden vorangestellten Adjektive jedoch bereits signalisieren, bestehen Überschneidungen zu den Gattungen Drama und Epik, die das Werk je nach betrachteten Eigenschaften als eine Mischform erkennbar machen. Anknüpfungen an die Form des Dramas finden sich z. B. in der Gestaltung der Monologe, die Milton insbesondere Satan in den Mund legt, der bei Weitem interessantesten und am besten ausgearbeiteten Figur seines Textes. Sie weisen inhaltlich und formal unverkennbare Ähnlichkeiten mit Dramen-Monologen auf, wie sie beispielsweise in dem besprochenen Auszug aus Shakespeares Tragödie Hamlet zu finden sind. Aus diesem Grund besprechen wir Miltons Text am Ende der Textgattungsanalyse um aufzuzeigen, dass der Gattungsbegriff nicht zu starr gefasst werden darf, sondern Mischformen zulässt, die u. U. das Leseerlebnis zusätzlich bereichern.
    ⇒ Auseinandersetzung mit einem realen Gegenspieler (Gott/Mensch) und einer Intrige bzw. Verfehlung im Bereich Sitte/Etikette (Rebellion, Verführung), Schicksal (Eifersucht)
    ⇒ Auszüge aus zwei Gesängen, jeweils mit Monologpassage

    Der englische Dichter John Milton (1608-1674) war neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit ein bedeutender politischer Denker und Staatsbediensteter unter Oliver Cromwell. Sein Werk kreist um die Themen persönliche Schuld (religiös), Freiheit/ Selbstbestimmung, Politik, Rede- und Pressefreiheit. Er schrieb in Englisch, Italienisch und Latein. Milton studierte Shakespeare und war von dessen Stücken fasziniert. Er gilt heute als früher Aufklärer. Als 1660 die puritanische Revolution unter Cromwell scheiterte, entging Milton nur dank einer Generalamnestie dem Todesurteil. Bereits Anfang der 1650er Jahre war Milton nach einem kontinuierlichen Nachlassen seiner Sehkraft vollständig erblindet, weshalb sein bekanntestes und einflussreichstes Werk Paradise Lost als Diktat an seine Töchter entstand.

 

⇒ 5 Erste Sätze