|
Die Entdeckung des Tutanchamun – das Grab, die Schätze, die Rezeption –
Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2022/23
5 Der Grabschatz
Um einen Überblick über die Fülle der im Grab des Tutanchamun gefundenen Grabbeigaben zu bekommen, ist eine thematische Sortierung hilfreich. Die nachfolgend aufgelisteten Gruppen wurden im Seminar vorgestellt und ausgewählte Objekte besprochen. Auffällig ist, dass diverse Fundstücke noch deutliche Spuren tragen, welche für die Kunst der Amarna-Zeit typisch sind (im Seminar wurde dies u. a. anhand des goldenen Throns besprochen). In dieser Zusammenfassung wird jeweils ein Objekt pro Gruppe in Kurzform erläutert.
Götterfiguren
Im Seminar vorgestellt: Selket, Ptah, Anubis
Die zarte Figur der Göttin Selket, deren Symboltier der Skorpion ist, zählt neben Isis, Nephthys und Neith im Neuen Reich zu den vier Schutzgöttinnen des Sarges. Mit ihren ausgebreiteten Armen wurden die Figuren an den vier Ecken des Sarges oder, wie beim Kanopenschrein des Tutanchamun, an den Seiten des Schreins platziert, sodass sie diesen schützend umfassen konnten. Der leicht seitlich geneigte Kopf ist untypisch für die altägyptische Rundplastik und kann zusammen mit dem leicht gelängten Körper und dem feinen Plisseegewand als ein Erbe der Amarna-Kunst gedeutet werden.
Königsfiguren und -insignien
Im Seminar vorgestellt: Königsfigur mit weißer Krone, Königsfigur mit roter Krone, Diadem, Wächterfiguren, Der König auf einem Leoparden, Der König mit Harpune, Zepter, Krummstab und Geißel
Der König mit der Harpune, eine mit einer feinen Gipsschicht und Blattgold bedeckte Holzschnitzerei, beeindruckt durch ihre Ästhetik und Detailgestaltung, die den Eindruck großer Natürlichkeit mit der Idealisierung des Körpers und des Gesichts des jungen Herrschers verbindet. Tutanchamun hat den rechten Arm mit der Harpune zum Stoß erhoben, er trägt die rote Krone Unterägyptens, einen Halskragen sowie einen plissierten Schurz. An der Kleiderwahl ist abzulesen, dass hier kein realer Jagdausflug gezeigt werden soll, sondern dass es um einen ikonographischen Ausdruck geht: Der König verkörpert den Gott Horus, der den bösen Seth, der die Gestalt eines Nilpferdes angenommen hat, verfolgt. Der kosmische Kampf Gut gegen Böse findet in der altägyptischen Mythologie v. a. im „Streit von Horus und Seth“ in der Auseinandersetzung dieser beiden Kontrahenten seinen Ausdruck.
Dienerfiguren
Im Seminar vorgestellt: diverse Uschebti-Figuren aus unterschiedlichen Materialien
Uschebti-Figuren, deren Name vermutlich so etwas wie „die Antwortgeber“ bedeutet, waren beliebte Grabbeigaben. Sie sollen, wenn der Verstorbene im Jenseits aufgefordert wird, eine Arbeit zu erledigen, für ihn „antworten“, d. h. die Aufgabe an seiner Stelle erfüllen. Die Figuren, die aus verschiedenen Materialien gefertigt werden konnten und unterschiedlich aufwendig gestaltet waren, wurden i.d.R. in großer Zahl mit ins Grab gegeben.
Ritualbetten
Im Seminar vorgestellt: Löwenbett, Kuhbett, Nilpferdbett
Das Nilpferdbett, das auch Ammit-Bett genannt wird, stellt ein mythisches Tier dar, das den Kopf eines Nilpferds, den Körper eines Krokodils und die Beine eines Löwen hat. Dieses Mischwesen ist v. a. aus dem Totengericht des Osiris bekannt, wo es neben der Waage sitzt, auf der das Herz des Verstorbenen gegen die Feder der Ma’at, dem Symbol der gerechten Weltordnung und der Wahrheit, aufgewogen wird. Besteht das Herz diese Prüfung nicht, so wird es von der Fresserin (Ammit), dem eben beschriebenen Mischwesen, verschlungen, und der Verstorbene stirbt den zweiten, endgültigen Tod.
Möbel
Im Seminar vorgestellt: Kartuschenförmige Truhe, Schränkchen mit durchbrochener Maßarbeit, Truhe mit Symboldekor, Betten, Zeremonialthron, Kleiner Goldschrein
Die kartuschenförmige Truhe ist ein handwerkliches Meisterstück, bei dem Funktionalität, Ästhetik und symbolhafte Bedeutung eine außerordentlich gelungene Verbindung eingehen. Die vermutlich aus Koniferenholz gefertigte Truhe hat in der Aufsicht die Form einer Kartusche und zeigt passend dazu auf dem Deckel den Namen Tutanchamuns mit dem für ihn häufig genutzten Zusatz Heka Iunu Schema, was „Herrscher des südlichen Heliopolis“ (= Theben) bedeutet. Die erhabenen Hieroglyphen, die auf einer Unterlage aus Blattgold aufgebracht sind, sind aufwendig ausgearbeitet und farbig gestaltet (Ebenholz und – z. T. gefärbtes – Elfenbein). Die Truhe ist umlaufend mit der Titulatur des Königs beschrieben, wobei zahlreiche Beinamen seine Herrschaft und Macht im In- und Ausland preisen.
Kleidung und Kosmetik
Im Seminar vorgestellt: „Kleiderpuppe“, Sandalen, Harnisch, Kosmetikbox in Form zweier Kartuschen, Spiegeletui
Die aus Holz gefertigten Sandalen besitzen Einlegearbeiten aus Rinde, Gold und Leder. Im Fußbett sind Darstellungen von je zwei Gefangenen zu finden, deren Arme hinter dem Rücken an den Ellenbogen gefesselt sind. Jeder Schuh zeigt einen asiatischen und einen nubischen Gefangenen. Schlüpfte der Pharao in die Sandalen hinein und ging in ihnen umher, zertrat er auf symbolische Weise die Feinde Ägyptens unter seinen Füßen. In dem Sandalenpaar ergänzen sich daher funktionelle und ästhetisch-symbolische Aspekte zu einer Einheit.
Amulette
Im Seminar vorgestellt: Djed-Pfeiler, Wag-Zepter, Thot-Anhänger
Das goldene Wag-Zepter zeigt die Form eines Papyrusstängels. Am oberen und unteren Ende ist es mit sorgsam ausgearbeiteten Blattdetails versehen. In der Mitte trägt es die Inschrift „Der gute Gott Nebcheperure“ (Nebcheperure lautet Tutanchamuns Thronname). Im Vergleich zu den Blattstrukturen wirkt die Inschrift weniger akkurat gearbeitet.
Schmuck
Im Seminar vorgestellt: nebti-Kragen (Der Kragen der zwei Herrinnen), falkenköpfiger breiter Kragen, Ohrringe mit Entenköpfen, dreifacher Ring mit Skarabäus, Osiris-Pektoral, zwei Mond-Pektorale, Armspange mit Skarabäus, Namenspektoral mit Blütensaum, Armreif mit Kartuschen
Der nebti-Kragen wurde in den Bandagen der Mumie Tutanchamuns über Brust und Schultern gefunden. Der Name „Kragen der zwei Damen“ bezieht sich auf die Göttinnen Nechbet und Uto, die als Geier und Schlange dargestellt wurden und Ober- bzw. Unterägypten repräsentierten. Sie bilden den Mittelpunkt des prachtvollen Schmuckstücks. Der farbenprächtige, aus mehr als 170 Goldplättchen mit gefärbten Glaseinlagen bestehende umliegende Kragen stellt die Flügel der Göttinnen dar. Interessant ist, dass die beiden Göttinnen sich ein Flügelpaar teilen und die geiergestaltige Nechbet nur ein Bein hat, während das andere in der kobragestaltigen Uto aufzugehen scheint. Beide Figuren, die zugleich Schutzgöttinnen des Pharao sind, verschmelzen so in besonderer Weise zu einer Einheit.
Waffen
Im Seminar vorgestellt: Khepesh-Schwert, Eisendolch, Golddolch
Das Khepesh-Schwert ist seiner Form nach zu urteilen eine Waffe, die die Alten Ägypter von den aus dem asiatischen Raum kommenden Hyksos übernommen haben. In der zweiten Zwischenzeit im 17. und 16. Jahrhundert v. Chr. war es diesen gelungen, Ägypten zu besetzen. Solche plötzlichen Zusammenführungen fremder, eigentlich verfeindeter Kulturen, führen i.d.R. trotz der gegenseitigen kulturellen Ablehnung dennoch zu einem Wissens- und Technologietransfer, der in der Folge für beide Seiten fruchtbar sein kann. Das aus Bronze gefertigte Schwert ist vermutlich nicht als Stich-, sondern als Schlagwaffe verwendet worden, da es über keine scharfe Schneide verfügt. Seine Wirksamkeit im Kampf muss aber beachtlich gewesen sein, denn die Könige des Neuen Reiches wurden häufig mit dieser Waffe abgebildet.
Kalzit (ägyptischer Alabaster)
Im Seminar vorgestellt: Kalzitboot in einem Becken, doppelwandige Lampe, Ölvase, Kanopenkasten mit Kartuschen
Die doppelwandige Lampe ist zugleich ein nützliches Einrichtungsstück als auch ein besonders effektvoll gestaltetes und durchdachtes kleines Kunstwerk. Ist die Lampe unbeleuchtet, wirkt ihr ganz in Alabaster gehaltener zentraler Kelch, in den Öl und Docht eingebracht wurden, schlicht und edel. Dieser Teil der Lampe besteht jedoch aus zwei ineinander gesetzten Alabasterkelchen: Der äußere ist sehr dünnwandig, der zweite, innere, ist mit einer Darstellung des Königs und seiner Gemahlin verziert. Wenn der Docht entzündet ist, wird der Alabaster, der ein lichtdurchlässiges, gesteinsbildendes Mineral ist, von innen beleuchtet, und man erkennt das durchscheinende Bild des Königs, der mit der blauen Krone bekrönt auf einem Stuhl sitzt, während seine Frau Anchesenamun ihm ein Paar gerippter Palmrispen überreicht.
Persönliches
Im Seminar vorgestellt: Der Kopf auf der Lotosblüte, Holzkasten mit Kartusche auf dem Griff, Brettspiel, Papyrusglätter, Binsenbehälter, Schreiberpaletten, anthropomorphes Anch-Zeichen als Lampenhalter, aufgebahrte Miniaturmumie
Bei dem Kopf auf der Lotosblüte handelt es sich vermutlich um eine idealisierte Darstellung Tutanchamuns. Die meisterhafte Holzschnitzarbeit spielt auf die mythologische Episode der Geburt des Sonnengottes an, die in einer der vielen unterschiedlichen Varianten der altägyptischen Schöpfungsgeschichte beschreibt, wie der junge Sonnengott sich am Uranfang aus einer Lotosblüte erhebt, die sich über dem Urozean Nun öffnet. Die Darstellung zeigt deutliche Spuren der Amarna-Kunst, darunter besonders auffällig der elongierte Hinterkopf, die vollen Lippen und die ausgeprägten Halsfalten.
Spuren der Amarna-Kunst
Wie oben bereits an mehreren Stellen explizit erwähnt, finden sich im gesamten Grabschatz immer wieder Verweise auf und Anlehnungen an die Amarna-Kunst. Als Beispiel dafür wurden im Seminar der goldene Thron, der goldene Fächer mit Szenen der Straußenjagd und die verzierte Truhe mit privaten Szenen aus dem Leben des Königspaares genannt.
Prominente Amarna-Stilelemente des goldenen Throns sind die Darstellung des Strahlen-Aton auf der Rückenlehne, der seine Hände beschützend über das Königspaar hält und ihnen das Anch-Zeichen, das Symbol des Lebens, überreicht. Körperhaltung, Bekleidung und Positionierung des Königs und der Königin zueinander folgen ebenfalls den Prinzipien der Amarna-Kunst. Auf der mit Inschriften verzierten Rückseite der Rückenlehne finden sich noch die alten Geburtsnamen des Paares: Tutanchaton und Anchesenpaaton. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Thron in den Anfangsjahren der Regentschaft Tutanchamuns, also vor seiner Namensänderung, oder sogar bereits davor, entstanden ist. Die Tatsache, dass der Thron erhalten ist, legt nahe, dass unter Tutanchamun das Andenken Echnatons und der Amarna-Zeit noch keiner auslöschenden Verfolgung ausgesetzt war.
⇒ 6 Tutanchamun und die Unsterblichkeit
|