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Ägyptologie-Seminare > Amarna > 4 Kunst

Amarna: Revolution im Alten Ägypten – Pharao Echnaton und die Alleinherrschaft der Sonne

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2019/20 und 2016/17

 

4 Die Revolution in den schönen Künsten

Die ägyptische Kunst weist über die Jahrhunderte ein erstaunliches Maß an Homogenität auf. Die charakteristischen Darstellungsformen sind bereits zu Beginn der historischen Zeit ausgebildet und werden von da an erweitert und ausformuliert, jedoch nicht mehr grundlegend verändert. „Kunst“ ist im Alten Ägypten nicht primär Ausdruck der Sinnesfreude, sondern oftmals v. a. zweckgebunden. Sie begegnet in der Gestaltung von Dingen des täglichen Gebrauchs, als Mittel der Machtdemonstration sowie im sakralen und funerären Bereich. Text und Bild sind dabei stets eng miteinander verschränkt und komplettieren einander i.d.R. ohne Redundanzen. Vollständigkeit erlangen Bilder im Verständnis der Alten Ägypter erst durch Farbigkeit.

Während innerhalb einer dargestellten Figur die Proportionen stets stimmig sind, sagen die Größenverhältnisse der dargestellten Figuren zueinander etwas über ihre Wichtigkeit aus: Je größer eine Figur im Bild dargestellt ist, desto bedeutsamer ist sie. Die Geschlechter werden idealisiert dargestellt: Männer kraftvoll und in jugendlicher Reife, Frauen schlank und jung.

Mit diesen Traditionen bricht die Amarna-Kunst, die sich verstärkt um eine lebensnahe Wiedergabe nicht nur von Personen, sondern auch von Tieren und Pflanzen bemüht. Sie wird oft als „naturalistisch“, „individuell“ und „realistisch“ beschrieben – was insbesondere dann zutreffend ist, wenn man sie mit der altägyptischen Kunst vor und nach Amarna vergleicht oder den visuellen Gesamteindruck ins Auge fasst. Im Detail bleibt allerdings auch die Amarna-Kunst insofern abstrakt, als dass sie, z. B. bei Tier- und Menschenfiguren, keine vollständige anatomische Präzision umsetzt (obwohl die Entwicklung grundsätzlich in diese Richtung geht). Nichtsdestoweniger erzielt sie beim Betrachter den Eindruck von Vitalität und realistischer „Echtheit“.

Die Veränderungen und neuen Ausdrucksformen der Kunst, welche die Amarna-Zeit prägen, haben vorsichtige Vorläufer bei Echnatons Vorgängern, speziell seinem Vater Amenophis III. Hier lassen sich v. a. in der Rundplastik Ansätze eines verstärkten Realismus sowie ein Bemühen um die Abbildung von Bewegung erkennen. Waren die Darstellungen zuvor streng achsensymmetrisch ausgerichtet und insgesamt wenig organisch anmutend, bildet sich nun unter der Einbeziehung von Drehungen und Kontraposten eine neue Präsentationsform heraus. Unter Echnaton erlebt diese Entwicklung eine sprunghafte Verstärkung: Innerhalb nur weniger Jahre entwickeln die Künstler der Amarna-Zeit den lebendigen Ausdruck fließender Bewegungen und bilden in der Fläche ebenso wie in der Plastik weiche Körper und anmutige Körperhaltungen ab.

Relief

Bereits vor der Amarna-Zeit gibt es zwei Hauptformen des Reliefs, die als erhabenes bzw. versenktes Relief bezeichnet werden. Für das erhabene Relief wird die das Motiv umgebende Gesteinsfläche um ca. 5 mm abgetragen, so dass sich das Dargestellte aus der Fläche erhebt. Für das versenkte Relief wird das Motiv unterschiedlich weit als Vertiefung in den Stein hineingearbeitet. Die letzte Form wurde primär im Außenbereich verwendet, da der natürliche Lichteinfall interessante, die Darstellungen lebendig wirkenlassende Schattenwürfe erzeugt. Mit der Amarna-Zeit erfolgt eine starke Hinwendung zum versenkten Relief, da es nun auch in den deckenlosen Tempelanlagen wirkungsvoll zum Einsatz kommen konnte.

Statuen/Büsten

Die Rundplastik erlebt in der Amarna-Zeit eine Hochphase: Nie zuvor und nie wieder danach wurden in der altägyptischen Kunst derart realistisch anmutende Porträts geschaffen (von den Mumienporträts der graeco-romanischen Epoche abgesehen), die der Individualsierung der dargestellten Person (scheinbar) den Vorzug vor der Idealisierung gaben.
Eine besondere Entwicklung stellen die sogenannten Kompositstatuen dar, zu deren Erstellung bewusst verschiedene Gesteinsarten miteinander kombiniert wurden. Die Ausarbeitung von Schlitzen und Zapfen ermöglichte die stabile Verbindung der Einzelelemente, eine Stuckschicht verbarg die Übergangsnähte. Durch die abschließende Bemalung wurde das Werk vollendet. Dank der bewussten stückweisen Herstellung der Statuen konnten gleichzeitig mehrere Künstler an deren Einzelteilen arbeiten – so war es nicht nur möglich, das Gesamtwerk sehr viel schneller fertigzustellen, sondern die Künstler konnten sich auch auf einzelne Aspekte spezialisieren, wodurch exzellente Ergebnisse erzielt wurden. Die Anfänge dieser neuen Technik sind bereits bei Thutmosis IV. und Amenophis III. zu sehen, doch erst unter Echnaton wird das Potenzial dieser neuen Fertigungsweise ausgeschöpft und zugleich noch weiter verfeinert.

Malerei und Fliesen

Anders als Relief und Bildhauerei ist die Malerei eine zweidimensionale Kunstform, die ihre Effekte allein aus Farben und Pinselführung bezieht. Bevorzugte Motive waren in der Amarna-Zeit Tiere, Pflanzen, Blumen, Gewässer, Menschen und Menschengruppen. Der Porträtstil ist durch Leichtigkeit, leuchtende Farben, Bewegung und durch geschickte Farbabstimmungen erzielte Tiefeneindrücke gekennzeichnet. Besonders schöne Beispiele sind die „Enten über Papyrusdickicht“, die einen Palastfußboden geziert haben, oder das Fragment einer Palastwandmalerei, das zwei Amarna-Prinzessinnen zu Füßen ihrer Eltern zeigt.

Die für Fliesen verwendeten Motive ähneln den in der Malerei vorherrschenden Themen, v. a. Tiere, Pflanzen und Gewässer wurden gerne und häufig dargestellt. Die gefundenen Bruchstücke vermitteln einen naturalistischen, farbenfrohen Eindruck. Es handelt sich um gebrannte Quarzkeramik, wobei Metalloxide der Färbung der Glasur dienten.

Keramik und Glas

Für den häuslichen Bedarf wurden vielfach Keramiken aus Nil-Ton verwendet. Glasuren ermöglichten auch die Aufbewahrung von Flüssigkeiten. Eine Besonderheit der Amarna-Kunst ist die Verwendung einer neuen Farbe, die heute als „kobaltblau“ bezeichnet wird: Sie ersetzt den zuvor verwendeten dunkleren Blauton, bei dem es sich um eine polychrome Kaltbemalung handelte; die Farbe entwickelte sich nur in dick aufgetragenen Farbschichten. Sie war daher für die nun angestrebte, filigranere Gefäßbemalung nicht mehr geeignet, die erst das neu entwickelte Kobaltblau ermöglichte.

Kleine Fayenceanhänger, die in den Wohnhäusern in Amarna gefunden wurden, machen deutlich, dass auch inmitten der neuen Hauptstadt die Menschen noch immer auch die alten Götter verehrten: Bei den Anhängern handelt es sich z. B. um Figuren der nilpferdgestaltigen Thoeris (die Schwangere beschützt), des weisen Thot oder um Köpfe der Hathor, die als Glücksbringer galten.

Die eindrucksvolle, wenn auch kurzlebige Kunst der Amarna-Zeit prägt unsere heutige Vorstellung der Gesamtheit des künstlerischen Ausdrucks der Alten Ägypter auf maßgebliche Weise.

 

> 5 Widerstand