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Ägyptologie-Seminare > Amarna > 6 Nachfolge

Amarna: Revolution im Alten Ägypten – Pharao Echnaton und die Alleinherrschaft der Sonne

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2019/20 und 2016/17

 

6 Die Nachfolge des „Ketzerkönigs“: Rückkehr zum alten Glauben und Damnatio memoriae

1336 v. Chr. verstirbt Pharao Echnaton in seinem 17. Regierungsjahr. Zu diesem Zeitpunkt ist Achetaton seit gut zwölf Jahren neue Hauptstadt Ägyptens, der Aton-Kult ist Staatsreligion. Mit beidem identifiziert sich jedoch vermutlich nur eine Minderheit des Landes. Mit Echnatons Tod verlieren nicht nur der neue Glaube, sondern auch die politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse ihren Zusammenhalt. Den nachfolgenden Herrschern, die oft nur wenige Jahre regieren, gelingt es nicht, Land und Glauben zu konsolidieren. Die Revolution ist gescheitert. Die Zeit nach Echnaton steht v. a. im Zeichen der Schadensbegrenzung.


Herrschaftsfolge beginnend mit Echnaton bis zum Ende der 18. Dynastie
Amenophis IV. / Echnaton1353-1336 v. Chr.
Semenchkare1336-1332 v. Chr.
Tutanchamun1332-1323 v. Chr.
Eje1323-1319 v. Chr.
Haremhab1319-1292 v. Chr.

Von den Personen, die sich hinter den oben genannten Namen verbergen, hat die Ägyptologie heute eine recht gute Vorstellung – bis auf eine.

Wer war Semenchkare?

Semenchkare tritt wie aus dem Nichts zum ersten Mal im Grab des Merire in Achetaton auf: Er wird dort als regierender Pharao in der Nachfolge Echnatons und als Gemahl Meritatons, der ältesten Tochter von Echnaton und Nofretete, dargestellt. Lange wurde spekuliert, ob er ein jüngerer Bruder Echnatons oder ein älterer Bruder Tutanchamuns gewesen sein könnte oder ob er ggf. einer unbekannten royalen Seitenlinie entstammte. Verkomplizierend kommt hinzu, dass in derselben Zeit, die als Herrschaftszeit Semenchkares angesehen wird, noch ein weiterer Pharaonenname auftaucht: Neferneferuaton. Es ist auffällig, dass es sich dabei um den von Nofretete mit dem Umzug nach Achetaton angenommenen neuen Namen handelt, der in der Tat wie ein Königsname in einer Kartusche geschrieben wurde (siehe Religion): War sie möglicherweise in den letzten Jahren die Mitregentin ihres Mannes, oder saß sie eventuell für kurze Zeit sogar selbst auf dem Pharaonenthron? In welchem Verhältnis Neferneferuaton und Semenchkare zu einander stehen, oder ob sie vielleicht sogar identisch sind, ist Gegenstand andauernder Forschungsarbeit und sicherlich eines der größten Rätsel der Amarna-Zeit.

Folgende Thesen werden diskutiert:

  • Nofretete ist Neferneferuaton, herrschte kurzzeitig mit oder im Anschluss an Echnaton und änderte dann ihren Namen noch ein weiteres Mal in Semenchkare.
  • Nofretete ist Neferneferuaton, aber nicht Semenchkare, der damit zu einer eigenständigen Person unbekannter Herkunft wird.
  • Neferneferuaton und Semenchkare sind identisch, aber nicht Nofretete.
  • Nofretete, Neferneferuaton und Semenchkare sind drei verschiedene Personen.

Wer immer Semenchkare gewesen sein mag, es gelingt ihm nicht, die Aton-Lehre als Staatstheologie sowie Achetaton als Herrschersitz zu festigen. Bereits unter seiner Herrschaft scheint es eine erste Rückorientierung hin zum alten Glauben gegeben zu haben (Grundlage dieser Annahme ist v. a. das Graffito des Pahwah in Theben).

Nofretete

Über das Schicksal der Nofretete ist ab dem 12./13. Regierungsjahr Echnatons nicht mehr viel zu erfahren. Sie verschwindet ohne überlieferte Erklärung aus dem öffentlichen Leben, und lange vermutete man, dass sie verstorben sei. Eine 2012 in einem Kalksteinbruch 10 km nördlich von Achetaton entdeckte Inschrift belegt jedoch, dass Nofretete in Echnatons 16. Regierungsjahr noch immer die Große Königliche Gemahlin an seiner Seite war (was einen Teil der oben aufgeführten Thesen zur Identität Semenchkares ermöglicht). Dieses neue Puzzlestück gibt Anlass zu neuen Theorien, eine abschließende Erkenntnis bringt es nicht.

Tutanchamun

Laut Ergebnis der DNA-Analysen aus dem Jahr 2010 ist Tutanchamun der Sohn Echnatons (sofern dieser mit der Mumie aus KV 55 identisch ist, wie es die Untersucher annehmen) und einer leiblichen Schwester des Pharao. Diese inzestuöse Verbindung, die für das Alte Ägypten keineswegs anstößig war, wird oft als Erklärung für eine Reihe vermuteter körperlicher Beschwerden Tutanchamuns (darunter Morbus Köhler-Albau, Klumpfuß) herangezogen.
Bei seinem Herrschaftsantritt war der junge Pharao rund neun Jahre alt, die tatsächliche Macht lag vermutlich in den Händen seiner engsten Berater und späteren Nachfolger, dem „Gottesvater“ Eje und dem Militärführer Haremhab. Erst in seinem dritten Regierungsjahr änderte der junge Pharao seinen Geburtsnamen „Tutanchaton“ in „Tutanchamun“ um, ein Zeichen dafür, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine umfassende Verfolgung des Andenkens Echnatons stattfand, wohl aber die Rückkehr zum alten Glauben vorangetrieben wurde. Mit seinem frühen Tod im Alter von etwa 19 Jahren erlischt die Familienlinie Echnatons.

Eje und Haremhab

Dem erst in hohem Alter gekrönten Eje waren nur wenige Regierungsjahre beschieden, bevor der Militärführer Haremhab ihm auf den Thron der Pharaonen folgte. Diesem gelang, mehr als 15 Jahre nach Echnatons Tod, der Umbruch: Ebenso entschlossen wie kompromisslos setzt er die bereits begonnene Rückkehr zu den alten Göttern um, bemüht sich um erneute Sicherung der ägyptischen Grenzen und verhängt die damnatio memoriae über Echnaton und seine unmittelbaren Nachfolger: Ihre Namen werden aus den Annalen gelöscht, ihre Statuen und Bauwerke zerstört oder usurpiert, Achetatons Tempel und Paläste werden zur Abbruchstätte für neue Bauwerke und Tempel, die nun wieder dem alten Pantheon huldigen – und v. a. ihm: Amun, dem König der Götter.

In der Folgezeit bleibt Aton als Sonnengestirn Teil des altägyptischen Pantheons, jedoch ohne jemals wieder eine vergleichbare Bedeutung wie in der Amarna-Zeit zu erlangen. Der Henotheismus des späten Neuen Reiches, der Amun als „den Einen“ über alle anderen Götter erhebt, darf als eine Nachwirkung des monotheistischen Aton-Kultes verstanden werden – auch wenn dieser und der Mann, der ihn erdachte, längst der Vergessenheit anheimgefallen waren und erst im 18. Jh. n. Chr. durch die noch junge Ägyptologie wiederentdeckt werden sollten.