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Ramses der Große: Pharao, Feldherr, Bauherr – Politik und Pracht im alten ÄgyptenKurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
3 Regierungsjahre 6-66: Biographisches – Ramses als kluger Stratege und Machtpolitiker„PR-Maßnahmen“ Nach Ramses’ Rückkehr nach Ägypten werden überall im Land Szenen aus der Kadesch-Schlacht an den Wänden der Tempel angebracht. Der Pharao lässt sich als unbestrittener, glänzender Sieger feiern. Kein anderes Ereignis der altägyptischen Geschichte wird häufiger dargestellt. Die individuelle Historisierung der Bildkompositionen ist dabei untypisch für die altägyptische Kunst, die stattdessen üblicherweise das stilisierte Bildtopos des „Erschlagens der Feinde“ zeigt. Dies nutzt Ramses zwar auch, es tritt in seiner Bedeutung aber – mindestens aus heutiger Sicht – hinter die Wucht und Emotionalität der Kadesch-Bilder zurück. Beginnend in der 18. Dynastie hatte sich parallel ein neuer Bildtopos entwickelt: „Der König im Streitwagen bezwingt seine Feinde“. Das Motiv ist erst seit der Herrschaft der Hyksos (II. Zwischenzeit) Teil des altägyptischen Bildrepertoires und fand zunächst auf Objekten der Kleinkunst Verwendung. Die Umsetzung des Motivs in großformatige Tableaus stammt aus der Amarna-Zeit, wo es allerdings in einem ganz anderen inhaltlichen Zusammenhang stand, der keinen militärischen Rahmen hatte, sondern vielmehr der Nähe des Pharao zu seinem Volk Ausdruck verleihen sollte. Die Übersetzung in den kriegerischen Kontext erfolgte bei Tutanchamun, dennoch blieb die Szene zunächst ein isoliertes Bildmotiv. Die Weiterentwicklung zur kohärenten Erzählung findet bei Ramses’ Vater Sethos I. statt und drückt sich u. a. in Mehrfachdarstellungen des Pharao aus. Für den Bericht über die Kadesch-Schlacht wird diese neue Darstellungsform unter Ramses II. perfektioniert. Das Geschehen wird dabei i.d.R. auf zwei Tableaus verdichtet: eine Lager- und eine Kampfszene, die durch Beischriften erläutert und inhaltlich ergänzt werden. Zusätzlich zu dieser Form des „Berichts“ überliefern zwei erhaltene Papyri das sogenannte „Kadesch-Gedicht“ (Kadesch-Poem). Interessanterweise ergänzen Bericht und Poem sich inhaltlich, enthalten unterschiedliche Details und alternieren zwischen den Erzählperspektiven. Beide Texte finden sich auf Monumenten, das Poem wurde allerdings vermutlich auch als Lektüre und in Schulen verwendet und hielt so die Erinnerung an die Schlacht von Kadesch auch in den nachkommenden Generationen aktiv wach. Ausdrücklich und v. a. auch emotional eindrucksvoll beschreibt Ramses aus der Ich-Perspektive die Ausweglosigkeit der Situation auf dem Schlachtfeld und wie er sich mit einem inbrünstigen Gebet an Amun wendet und diesen um Hilfe bittet. Der Gott erhört den Pharao und dank seiner unmittelbaren Nähe gelingt es diesem in beiden Texten, die scheinbar verlorene Schlacht in einen strahlenden Sieg zu verwandeln. Mit seinem so geschilderten direkten Eingreifen in die Kadesch-Schlacht beginnt der Götterkönig, die Geschicke Ägyptens selbst zu lenken. Dieses religiöse Herrschaftsverständnis wird in der III. Zwischenzeit in Theben zum „Gottesstaat des Amun“ ausgebaut und führt in dieser Form zu einer erheblichen Schwächung des Königtums. Der Friedensvertrag Erst in Ramses’ 21. Regierungsjahr (1259 v. Chr.), 15 Jahre nach der Schlacht von Kadesch, wird der berühmte erste paritätische Friedensvertrag der Weltgeschichte zwischen ihm und dem hethitischen Großkönig Hattušili III., einem Bruder Muwatallis, geschlossen. Hattušili hatte seinen Neffen und eigentlichen Thronfolger verdrängt und benötigte einerseits alle Ressourcen im eigenen Land statt in fernen Kampfgebieten, um sich als neuer Herrscher etablieren zu können, und suchte andererseits einen machtvollen Verbündeten, der seine Herrschaft stützen würde. Der Vorschlag eines Friedensabkommens kam also möglicherweise von ihm, doch gewiss war Ramses diesem nach Jahrzehnten immer widerkehrender militärischer Auseinandersetzungen nicht abgeneigt. Nachdem die Details ausgehandelt waren, erhielt jede Seite eine Abschrift auf einer Silbertafel. Beide Textfassungen weisen spezifische Eigenarten auf, sind aber in den entscheidenden Punkten inhaltsgleich. Der Text ist jeweils als wörtliche Rede verfasst. Im ägyptischen Text spricht Hattušili, im hethitischen Text Ramses. So erhält jede Seite eine verbindliche Aussage der anderen. Daraus ergibt sich die interessante Fundsituation, dass man in Ägypten den hethitischen Vertragstext in Hieroglyphenschrift findet und umgekehrt. Das explizit formulierte Ziel des Vertrages ist „guter Friede und gute Brüderschaft“. Das Abkommen benennt zwar keine expliziten Ländergrenzen, umfasst aber einen Nichtangriffspakt, sodass auf diese Weise quasi der Status quo festgeschrieben wurde. Es handelt sich darüber hinaus auch um einen Unterstützungsvertrag, der besagt, dass beide Seiten einander im Falle einer Bedrohung durch äußere oder innere Feinde militärischen Beistand leisten sollen. Außerdem sollte Ramses nach Hattušilis Tod die Nachfolge von dessen Sohn unterstützen, ein wichtiger Punkt für den Thronusurpator Hattušili. Zwei diplomatische Heiraten Ramses’ mit hethitischen Prinzessinnen in den folgenden Jahren untermauerten das Bündnis. Es scheint, dass sich zwischen den ehemals verfeindeten Großmächten tatsächlich ein gutes, vielleicht sogar freundschaftliches Verhältnis entwickelte: Nicht nur gab es einen regelmäßigen Briefwechsel zwischen verschiedenen Mitgliedern beider Königshäuser, Ägypten lieferte auch Getreide nach Hatti, um eine drohende Hungersnot abzuwenden. Ehe(politik) Wie alle Pharaonen war auch Ramses mit vielen Frauen gleichzeitig verheiratet. Auf diese Weise sollte nicht nur die Thronfolge sichergestellt werden, sondern es waren häufig auch politische bzw. diplomatische Ehen, die den Harim des Pharao füllten, indem Ramses Prinzessinnen aus anderen Herrscherhäusern ehelichte, um so bestehende Bündnisse und Verbindlichkeiten zu untermauern. Ehefrauen des Königs wurden in Ägypten zunächst als hemet-nesut („Gemahlin des Königs“) bezeichnet. Seit dem Mittleren Reich wurde für die Hauptgemahlin die Bezeichnung hemet-nesut-weret („Große Königliche Gemahlin“) verwendet, um diese von rangniedrigeren Ehefrauen unterscheiden zu können. Grundsätzlich handelte es sich um einen singulären Titel, praktisch gab es jedoch häufig mehrere Trägerinnen dieses Titels gleichzeitig. In der Regierungszeit Ramses’ II. sind mindestens acht Große Königliche Gemahlinnen nachweisbar, z. T. handelt es sich um Tochtergemahlinnen. Die Großen Königlichen Gemahlinnen Nefertari war vermutlich die bedeutendste Frau in Ramses’ Leben. Bereits seit seiner Kronprinzenzeit war sie mit ihm verheiratet, das Paar hatte bereits vor seiner Inthronisation zwei gemeinsame Söhne. Mit Ramses’ Krönung stieg Nefertari zur Großen Königlichen Gemahlin auf. Zeitgleich existierte eine weitere wichtige Frau am Hof: Tuja, die Witwe Sethos’ I. und Ramses’ Mutter. Beide Frauen führten ab 1259 v. Chr. hethitischen Gepflogenheiten folgend eine eigene Korrespondenz mit Puduhepa, der Gemahlin Hattušilis III. Über ihr Verhältnis zueinander ist nichts bekannt. Tuja verstarb vermutlich um 1257 v. Chr., Nefertari nur kurz darauf, wahrscheinlich um das Jahr 1255 v. Chr. Mit Nefertaris Tod rückte Isisnofret, eine weitere Gemahlin des Ramses, in der Hierarchie auf. Auch sie war bereits seit Ramses’ Kronprinzenzeit mit ihm verheiratet, beide hatten fünf oder sechs gemeinsame Kinder. Isisnofrets Herkunft liegt im Dunkeln, der vorderasiatische Name ihrer ersten Tochter Bint-Anat (= Tochter der Anat), könnte aber einen Hinweis liefern: Anat war eine aus dem syrischen Raum stammende Göttin, sodass Isisnofret möglicherweise eine syrische Prinzessin aus dem Harim sein könnte, den Sethos I. für seinen Sohn eingerichtet hatte. Ihr gemeinsamer Sohn Merenptah sollte 1213 v. Chr. schließlich Ramses’ Nachfolger werden. Bint-Anat stieg später selbst zur Großen Königlichen Gemahlin auf. Weitere Große Königliche Gemahlinnen waren Meritamun, die älteste Tochter von Ramses und Nefertari, sowie vermutlich drei weitere Schwestern namens Nebettaui, Henuttaui und Henutmire, deren Mütter nicht zu ermitteln sind. Desweiteren tritt noch Maat-Hor-neferu-Re hinzu, deren eigentlicher Name Sauškanu lautete und die eine Tochter des hethitischen Großkönigs Hattušili III. und seiner Gemahlin Puduhepa war. Die eheliche Verbindung der beiden Herrscherhäuser fungierte als weitere Untermauerung des geschlossenen Friedensvertrages (s. o.) und war von hoher politischer Relevanz. Sauškanu war die erste ausländische Prinzessin, die den Ehrentitel Große Königliche Gemahlin erhielt. Der Preis für dieses Privileg war eine hohe Mitgiftforderung durch Ramses, die lange und zähe Verhandlungen nach sich zog, bis die Heirat 1246 v. Chr. tatsächlich stattfinden konnte. Vater von 100 Ramses gilt als Vater von mindestens rund 50 Söhnen und 45 Töchtern. Da viele der Söhne nur durch einen einzigen Fundbeleg bekannt sind, ist wohl davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl noch erheblich höher lag und die Gesamtzahl der Kinder daher wohl bei deutlich über 100 anzusiedeln ist. Die ersten Kinder wurden noch in der Regierungszeit Sethos’ I. geboren. Nur Nefertari und Isisnofret sind als Mütter namentlich bekannt. Vermutlich alle Söhne erhielten den Rang eines „Wedelträgers zur Rechten des Königs“, was eine Heraushebung aus der übrigen Beamtenschaft bedeutet, aber zunächst keine weiteren Handlungsbefugnisse mit sich brachte. Sie alle erhielten vermutlich eine Ausbildung im Lesen, Schreiben und Rechnen, nahmen aktiv an Feldzügen teil, sodass sie gewiss auch ein Training im Fahren von Streitwagen und im Umgang mit Waffen erhielten. Eine Unterweisung in Kulthandlungen und dem Hofzeremoniell gehörten darüber hinaus ebenfalls zur Prinzenerziehung. Zwölf der Söhne verstarben bereits vor Ramses, erst der 13. Sohn, Merenptah, wurde schließlich sein Nachfolger. Mindestens 20 Söhne wurden im Tal der Könige im Grab KV 5 bestattet. Es handelt sich um die größte jemals in Ägypten entdeckte Grabanlage. Ein Gang durch die Regierungsjahre 6-66 Eine unmittelbare Folge der Kadesch-Schlacht war die Reformierung des Heeres, die mit einer Intensivierung des Armeetrainings einherging und eine Neuorganisation der militärischen Aufklärung beinhaltete, die unter Führung von Ramses› Sohn Amunherwenemef stattfand. Militärexpeditionen Richtung Palästina dienten der Konsolidierung der Landesgrenzen. Im 8. und 10. Regierungsjahr unternahm Ramses Feldzüge in die Levante, die jeweils die Einnahme von Dapur umfassten und die in ähnlichem Stil wie die Kadesch-Schlacht propagandistisch genutzt wurden. In seinem 12. Regierungsjahr kam es zu einem Aufstand im Lande Kusch, woraufhin Ramses’ Söhne die Armee nach Süden ins Gebiet der Unruhen führten. Nach deren Niederschlagung blieb das Land bis zum Ende von Ramses’ Regierungszeit befriedet. 1259 v. Chr. erfolgte der Friedensschluss mit den Hethitern (s. o.). Um 1256/55 v. Chr. fand die feierliche Einweihung der Tempelanlage von Abu Simbel statt. Etwa zur selben Zeit verstarb Ramses’ Große Königliche Gemahlin Nefertari, der der sogenannte Kleine Tempel von Abu Simbel geweiht ist. In seinem 30. Regierungsjahr feierte Ramses II. sein erstes Sed-Fest. Ziel dieser mehrwöchigen Feierlichkeit war die rituelle Erneuerung der Kräfte des Pharao. 13 weitere Sed-Feste sollte Ramses in der Folgezeit im Abstand von jeweils ein bis drei Jahren feiern, bis er kurz vor dem 15., bereits geplanten Fest verstirbt. Im 34. Regierungsjahr fand die Vermählung mit der Hethiterprinzessin Sauškanu statt. Zwei Jahre später stirbt Ramses’ ältester Sohn. Im 38. Regierungsjahr beauftragt Ramses die Überarbeitung der Reliefs in Abu Simbel: Ab sofort wird er als Gott unter Göttern dargestellt, indem seine Figur nachträglich in die abgebildeten Göttergruppen eingefügt wird. In den Folgejahren muss Ramses zahlreiche seiner Söhne und Töchter beerdigen, die vor ihm die Reise in die Dat, das altägyptische Jenseits, antreten. In seinem 67. Regierungsjahr, im Jahr 1213 v. Chr., verstirbt Ramses der Große kurz nach dem Neujahrsfest. Das geplante 15. Erneuerungsfest erlebt er nicht mehr. Sein 13. Sohn Merenptah besteigt mit mehr als 60 Jahren den Pharaonenthron. Eine Ära ist zu Ende.
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