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Der Tempel als Kosmos Sakralarchitektur im Alten Ägypten
Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Sommersemester 2022
2 Tempelanlagen der Frühdynastik und des Alten Reiches
Bereits in der Frühdynastik entwickelte sich im Kontext des Grabbaus die ikonische Bauform der Mastaba. Sie besitzt eine klare Aufteilung in zwei Baubereiche, der eine unter-, der andere oberirdisch gelegen, sodass eine dualistische architektonische Form entsteht. In der 3. Dynastie (~Mitte des 27. Jh. v. Chr.) findet mit dem Bau der Stufenpyramide des Königs Djoser erstmals eine klare Separierung von Begräbnis- und Kultbereich statt. Diese Aufteilung etabliert sich im Alten Reich als Standard und setzt die Pyramide als Begräbnisstätte vom Taltempel als Ort der kultischen Verehrung ab. Damit wird im Bereich des königlichen Toten- und Begräbniskultes in Form des Taltempels eine parallele Bauform zu den Tempeln als Häuser der Götter entwickelt, welche die Gleichsetzung des verstorbenen Königs mit diesen betont. In ihr spiegelt sich die Unterscheidung von dem tendenziell unterirdisch verborgenen, von Geheimnis umwobenen Kontext des Bestattungsritus und seinen mythologischen Implikationen, die den verstorbenen König endgültig in den Kreis der Götter aufnehmen, sowie dem oberirdisch verorteten Kontext des Königskultes, der sich mit dem für die Götter im heiligen Raum der Tempelanlagen vollzogenen Kult vergleichen lässt. Diese im Alten Reich zunächst noch eher semantische Trennung des Baukörpers in zwei Abteilungen bleibt in immer neuen Varianten bis ans Ende der Pharaonenzeit erhalten und mündet im Neuen Reich in eine weitreichende räumliche Distanzierung von Grabmal und Totentempel, bei der die beiden Bauelemente weder architektonisch, noch über eine freie Sichtlinie mehr miteinander verbunden sind.
Als Beispiel haben wir im Seminar den Tal- und Totentempel des Chephren auf dem Gizeh-Plateau besprochen. Im Längsschnitt zeigt sich dabei z. B. der identische und zugleich identitätsstiftende Aufbau von Totentempel und Göttertempel, indem beide einen zum Sanktuar hin aufsteigenden Boden besitzen, der mythologisch den Aufstieg auf den Urhügel nachbilden soll.
Das Sonnenheiligtum des Niuserre
Niuserre, der sechste König der 5. Dynastie, regierte zur Zeit des Alten Reiches im 25. Jh. v. Chr., irgendwann zwischen 2455 und 2420 v. Chr. In Abusir, einem bedeutenden Nekropolenfeld südlich von Kairo, entfaltete er eine umfangreiche Bautätigkeit, indem er die Grabanlagen seines Vaters, seiner Mutter und seines Bruders vollenden ließ. Als eigene Bauwerke ließ er in diesem Gebiet eine Pyramide und einen Sonnentempel errichten, von dem heute nur noch Überreste erhalten sind. Wie die Pyramidenanlagen des Alten Reiches besaß er einen vorgelagerten Taltempel, von dem aus er über einen höhergesetzten, ansteigenden Aufgang zugänglich war. Gekrönt wurde die Anlage, die im Kontext des heliopolitanischen Sonnenkultes zu verstehen ist, durch einen auf einer verbreiterten, begehbaren Basis aufgesetzten Obelisken von 36 m Höhe (hinzu kam die Höhe der Basis von etwa 20 m). Eine neben dem umfriedeten Bezirk des Tempels gefundene Bootsgrube samt Boot verweisen auf die Reise des Sonnengottes über den Himmel. Der eindrucksvolle, flache Hauptaltar im Zentrum des Hofes zeigt in der Mitte die Sonnenscheibe, umgeben von den Hieroglyphen für „ruhen, zufrieden sein“, welche gemeinsam die Aussage „Möge Re zufrieden sein“ bilden. Im Alten Reich manifestiert sich die parallele Nutzung von Bauwerken, deren Architektur sie als Tempelanlagen ausweisen, zum einem im postumen Königskult und zum anderen im schöpferisch-wirksamen Götterkult (s. o.).
⇒ 3 Tempelanlagen des Mittleren Reiches
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