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Ägyptologie-Seminare > Unterweltsbücher > 5 7.-9. Nachtstunde

Das altägyptische Jenseits als Ort des Wissens und des Glaubens: Eine Einführung in die altägyptischen Unterweltsbücher

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Sommersemester 2018

 

5 Die 7.-9. Nachtstunde: Die Höhle des Osiris / Kampf gegen das Chaos, Versorgung im Jenseits

 

Nach der Verjüngung des Sonnengottes in der 6. Nachtstunde stehen die noch folgenden Nachtstunden ganz im Zeichen des Aufstiegs aus der Tiefe und Finsternis der Unterwelt sowie des Wiedererstarkens der Kräfte des Sonnengottes, die sich regenerativ auch auf die ihn umgebenden Götter auswirken und sich in der Betonung seiner Funktion als richtender und strafender Gott manifestieren.

 

Die 7. Nachtstunde: Die Höhle des Osiris / Kampf gegen das Chaos

Die 7. Nachtstunde macht erneut die enge Verbindung von Sonnen- und Osirismythos deutlich, die schon mehrfach im Rahmen des Amduat erkennbar war. Obwohl es primär um die Vernichtung des Sonnenfeindes Apophis geht, ist der Raum, in dem dieser Kampf stattfindet, über den Osirismythos definiert: In der Einleitung wird dieser Nachtstundenbereich als „Höhle des Osiris“ bezeichnet. Das Eingangstor, durch das der Sonnengott und sein Gefolge ihn betreten, heißt „Tor des Osiris“. Die Hauptfiguren an Bord der Sonnenbarke, die Res Kampf gegen den mit dem uranfänglichen Chaos in Verbindung stehenden Apophis unterstützen, sind zugleich Schlüsselfiguren des Osirismythos: Es handelt sich um Isis, die treusorgende Schwestergemahlin des Osiris, und den Ältesten Zauberer, hinter dem sich der dunkle Seth verbirgt. Im Osirismythos ist Seth zwar der böse Gegenspieler des weisen und gütigen Osiris, im Kontext des Sonnenmythos wird er aber zum machtvollen Verbündeten des Re, der vom Bug der Barke aus den dämonischen Apophis bekämpft.

Das Mittlere Register zeigt die Sonnenbarke, in deren Mitte sich der Sonnengott befindet, der nun statt eines Schreines von der schützenden Mehen-Schlange umgeben ist. Mit dieser Veränderung geht die Aussage der Beischrift einher, dass der Sonnengott „eine andere Gestalt“ angenommen habe. Sicher spielt dies auch auf die erfolgte Vereinigung Res mit Osiris in der zurückliegenden Nachtstunde an, die den Moment der Erneuerung markierte.

Direkt vor der Sonnenbarke liegt der schlangengestaltige Apophis auf einer Sandbank. Eine senkrechte Linie zwischen Barke und Sonnenfeind verbildlicht vermutlich eine Art Schutzschild, gewirkt durch die machtvollen Zaubersprüche, die Isis und der Älteste Zauberer sprechen. Sie stehen am Bug der Barke und haben die Hände in einem Gestus der Abwehr erhoben. Der Leib des Apophis ist von sechs Messern durchbohrt, die ihn am Boden halten. Zwei Götter haben zusätzlich einen Strick um seinen Hals bzw. seinen Schwanz gelegt und halten das Seil fest in ihren Händen. Vier weitere mit Messern bewaffnete Götter stehen bereit, den Sonnenfeind zu vernichten; ihre Namen lauten „Die Zusammenbindende“, „Die Schneidende“, „Die Strafende“, „Die Vernichtende“. Aus der Beischrift ist zu erfahren, dass Apophis sich auf einer Sandbank von rund 230 m Länge befindet. Weiter heißt es: „Er füllt sie mit seinen Windungen aus.“ Dies ist eine der wenigen Stellen im Amduat, die eine tatsächliche Vorstellung von der Größe des Schlangendämons vermittelt; die bildlichen Darstellungen zeigen ihn zwar größer als andere Schlangenfiguren, aber doch stets sehr viel kleiner als die obige Angabe es verdeutlicht. Dies ist eine typische Gepflogenheit in der altägyptischen Ikonographie, die aus der Bildlichkeit unmittelbar Wirkmächtigkeit ableitet. Indem Apophis kleiner abgebildet wird als er eigentlich ist, wird in der realitätsstiftenden Sphäre des Bildes auch die Macht des Dämons reduziert, was wiederum für den erfolgreichen Verlauf der Nachtfahrt bedeutsam ist, da so die Gefahr für den Sonnengott gemindert wird. Das Register schließt mit vier personifizierten Göttergräbern, welche unterschiedliche Aspekte des Sonnengottes symbolisieren, und einem schützenden Wächterpaar. Das bestimmende Thema dieses Registers ist der erfolgreiche Kampf gegen Apophis. Diese Konfrontation, aus der der Sonnengott siegreich hervorgeht, kann sowohl als Beleg für das Wiedererstarken des Re als auch als Garant für den Fortbestand der Schöpfung gelten.

Im Oberen Register geht es um die Bestrafung der Feinde des Osiris. Der Totengott selbst sitzt als Richter dem Prozess vor, die bereits geköpften Feinde knien vor ihm oder liegen gefesselt am Boden. Sie werden von Strafdämonen bewacht bzw. gegeißelt, und die Beischrift bekräftigt, dass die Feinde „unter seine Füße fallen“. Interessant ist, dass der auf einem Thron sitzende Osiris von der Mehen-Schlange umringelt ist. Die Beischrift nennt ihn „Osiris, der im Mehen ist“ – eine deutliche Egalisierung mit Re, der im Mittleren Register ebenfalls als von der Mehen-Schlange umgeben gezeigt wird. Die Annäherung der beiden Götter geht noch weiter, indem Osiris als „Herr des Lebens und Herrscher des Westens“ bezeichnet wird, Titel, die üblicherweise dem Sonnengott gebühren.

Das Untere Register zeigt neben dem im Größenvergleich hervorgehobenen Unterweltlichen Horus eine Prozession von zwei mal zwölf Göttern und Göttinnen, von denen die erste Gruppe Repräsentanten der Sterne des nächtlichen Himmels sind und die zweite Gruppe als Stundengöttinnen die zwölf Nachtstunden repräsentieren, die der Sonnengott auf seinem Weg durch die Unterwelt durchqueren muss. Bemerkenswert ist, dass das Untere Register damit eine ganz andere Thematik als das Obere und das Mittlere darstellt. Es geht wie bereits am Ende der 4. Nachtstunde noch einmal um das stellare Jenseits und die Öffnung des Himmels aus der Unterwelt heraus. Das Register wird von einer Szene beschlossen, die ein auf einer Sandbank liegendes Krokodil zeigt. Am rechten Ende der Sandbank ragt ein menschlicher Kopf heraus, der als „Kopf des Osiris“ bezeichnet wird. Die Deutung dieser Szene bleibt unklar, möglicherweise handelt es sich bei dem Krokodil um einen Beschützer des Osiris.

Die Themen dieser Nachtstunde kreisen um die wiedererwachenden Kräfte des Sonnengottes sowie die Bestrafung seiner Feinde und der des Osiris (Mittleres und Oberes Register) und um den erneuten Ausblick auf das additive, ältere Konzept des Jenseits im nächtlichen Sternenhimmel

 

Die 8. Nachtstunde: Versorgung im Jenseits, 1

Ein zentrales Thema der altägyptischen Jenseitsliteratur dominiert die 8. Nachtstunde: die Versorgung der Verstorbenen. Auf der Wunschliste der alten Ägypter für das Jenseits stand neben Speise und Trank weiße Bekleidung aus feinem Leinenstoff ganz weit oben. Das Mittlere Register zeigt die Sonnenbarke mit Re umringelt von der Mehen-Schlange, doch anders als zuvor wird die Barke von acht Göttern getreidelt. Es folgen zwei weitere Szenen: zunächst eine Gruppe von neun personifizierten Schemes-Zeichen, welche die richterliche Hoheit des Sonnengottes verkörpern und den Strafaspekt zum Ausdruck bringen, der das gesamte Amduat hindurch immer wieder daran erinnert, dass die Feinde des Sonnengottes und auch des Osiris ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Die zweite Gruppe besteht aus vier Widdern, die als „Bilder der Tatenen“ bezeichnet werden und die durch die unterschiedlichen Insignien auffallen, die sie auf dem Kopf tragen: Es handelt sich um eine Sonnenscheibe, die Kronen von Ober- und Unterägypten sowie das hohe Federpaar des Gottes Tatenen. Die Figuren beider Gruppen weisen jeweils zu ihren Füßen dasselbe hieroglyphische Zeichen auf, das auch im Oberen und Unteren Register das prägende (und dort deutlich auffälligere) Symbol dieser und der folgenden 9. Nachtstunde ist:

Diese leitmotivisch verwendete Hieroglyphe mnḫ.t bedeutet so viel wie „Stoff“ (gezeigt ist vermutlich ein Zeugstreifen mit zwei Fransen). Die bildliche Umsetzung ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie im alten Ägypten Schrift und darstellende Kunst ineinandergreifen: Die Stoff-Hieroglyphe wird so platziert, dass sie sich wie ein Hocker unter den sitzend dargestellten Götterfiguren befindet. Auf diese Weise wirkt sie zunächst wie ein weiteres Bildelement, tatsächlich ist sie aber ein hieroglyphisches Zeichen mit einer dezidierten inhaltlichen Aussage. Bild-Text-Verknüpfungen dieser Art waren ein beliebtes und typisches Stilmittel im alten Ägypten.

Die Versorgung mit Kleidern ist ein Bild für die Erneuerung und Verjüngung der Verstorbenen. Neben dem offensichtlichen Thema der Versorgung der Toten geht es in diesem Register um das Wiedererstarken des Sonnengottes, was sich in seiner Richterfunktion und dem damit verbundenen Strafaspekt (s. o.) ausdrückt.

Das Obere und das Untere Register zeigen übereinstimmend eine Abfolge von jeweils fünf Höhlen, von denen jede eine Gruppe von drei bzw. vier Göttern beherbergt. Jede Höhle ist mit einer eigenen Tür versehen, die sich öffnet, wenn der Sonnengott an ihnen vorbeizieht. Eine Besonderheit ist, dass die Beischrift unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass die Götter in den Höhlen durch eigene Lautäußerungen auf den Ruf des Re antworten. Die Geräusche klingen für sterbliche Ohren jedoch befremdlich und erinnern an Tier- oder Klagelaute.

Die zentralen Themen beider Register sind die Versorgung mit Kleidern auf der einen Seite und die damit praktisch gleichzusetzende Erneuerung der Götter auf der anderen Seite.

 

Die 9. Nachtstunde: Versorgung im Jenseits, 2

Die 9. Nachtstunde setzt das Thema der vorherigen fort: Erneut geht es um die Versorgung der seligen Verstorbenen – ein deutliches Indiz dafür, welche große Bedeutung diesem Punkt in der Wahrnehmung der alten Ägypter zukam. Das Obere Register zeigt zunächst zwölf Göttermumien auf „Stoff“-Hieroglyphen sitzend. Sie sind Teil eines Göttergerichtshofes und dafür zuständig, die „Feinde des Osiris zu fällen“. Daran schließt sich eine zweite Gruppe bestehend aus zwölf Göttinnen an, deren Aufgabe es ist, „für die Erhebung des Osiris zu sorgen“. Dieses nur aus zwei Szenen bestehende und damit sehr kompakte Register thematisiert erneut die Versorgung mit Kleidern und Bestrafung der Feinde sowie darüber hinaus die Verehrung und den Schutz des Osiris.

Das Mittlere Register zeigt die wieder frei schwimmende Sonnenbarke. Davor stehen im Zentrum des Registers zwölf Ruderer der Gottesbarke, die mit ihren Bewegungen innehalten während Re Weisungen erteilt und von den Unterweltlichen verehrt wird. Sie tragen programmatische Namen wie „Der Unermüdliche“, „Der keine Umkehr kennt“ oder „Der keine Behinderung kennt“. Das Register schließt mit drei Götterfiguren, die auf der Korb-Hieroglyphe ruhen, sowie einem mumienförmigen Gott mit dem Namen „Der Opfernde der Götter“. Über sie berichtet die Beischrift, dass „sie [es] sind [...] welche Opferspeisen spenden den Göttern, die in der Dat sind, denen Re Brot und Bier zugewiesen hat“. Klar wird hier also nach der vorhergehenden Betonung der Versorgung mit Kleidern auch noch einmal die Versorgung mit Speisen und Getränken dargestellt. Es geht in diesem Register folglich um die Erteilung von Weisungen durch Re sowie die Versorgung der Verstorbenen.

Das Untere Register weist wie das Obere nur zwei Szenen auf: In der ersten sind zwölf feuerspeiende Uräus-Schlangen auf Stoff-Hieroglyphen zu sehen, und es sind die „Flammen ihres Maules [...], die das Abschlachten [der Feinde] entstehen lassen in der Dat“. Die zweite Szene zeigt neun Feldgötter mit Anch-Zeichen und ährenförmigen Zeptern, durch die erneut der Versorgungsaspekt aufgegriffen wird. Ganz rechts ist der „Hüter dieses Gefildes“ zu sehen: Es „ist Horus, der über dem Bezirk der Unterweltlichen ist.“ Die Themen der 9. Nachtstunde sind der Schutz (des Osiris) und die Versorgung der Verstorbenen.

 

⇒ 6 Die 10.-12. Nachtstunde