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Einführung in die Mythologie und Götterwelt der alten ÄgypterKurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
6 Das Ende der Welt: Untergang und NeubeginnAm Ende steht die Rückkehr der geordneten Schöpfung in den ungeordneten, jedoch zugleich homogenen Zustand des uranfänglichen Chaos. Es ist das siebte und letzte Stadium der mythischen Zeitlinie.
Abschließend soll daher im Rahmen der Betrachtung der mythischen Zeitlinie die altägyptische Vorstellung vom Ende der Welt stehen. 7. Rückkehr ins Chaos Der Weltuntergang bedeutet in der Vorstellung der alten Ägypter die Rückkehr in den chaotischen Urgrund der Schöpfung. Realhistorische gesellschaftliche Unruhen wurden häufig retrospektiv mit apokalyptischen Bildern beschrieben und als schon überwundene Erschütterungen des Gefüges der Schöpfung interpretiert. Dies gilt z. B. für die I. Zwischenzeit, die auf einen erbitterten Thronfolgestreit nach dem Tod Pharao Pepis’ II. am Ende des Alten Reiches folgte. Aus den knapp 130 Jahren andauernden anarchischen Zuständen ging im sich anschließenden Mittleren Reich die so genannte „Auseinandersetzungsliteratur“ hervor, die sich in der Tat mit den vorausgegangenen gesellschaftlichen Unruhen auseinandersetzt. Berühmte Textbeispiele sind „Die Mahnworte des Ipuwer“ oder „Die Prophezeiung des Neferti“ (Textauszüge wurden im Seminar besprochen). Die aus den Fugen geratene Gesellschaft diente als Hauptbildspender für die Illustration des Untergangs (Verlust der Ma’at). Lediglich im mythologischen Kontext konnte der Untergang auch in die Zukunft projiziert werden. Die in den Mythen immer wieder thematisierte Grundidee der Sterblichkeit der Götter impliziert bereits die Endlichkeit der Schöpfung und machte diesen Gedanken für die alten Ägypter erfahr- und vorstellbar. Da Verschriftlichung und Verbildlichung im alten Ägypten jedoch stets mit der Gefahr des Realitätsgewinns verbunden ist, sind apokalyptische Texte nicht nur außerordentlich selten, sondern auch stets mit der Aussage verknüpft, dass noch „Millionen und Abermillionen“ von Jahren vergehen würden, bis das beschriebene Weltende tatsächlich eintritt. Der Untergang wird – wie es in einer zyklischen Zeitstruktur zu erwarten ist – in der Tat erfolgen, ist jedoch gedanklich mit einem potenziellen Neubeginn verknüpft. Die Apokalypse ereignet sich jedoch nach der Vorstellung der alten Ägypter erst in einer für das menschliche Verständnis unendlich fernen Zukunft, die an die Ewigkeit grenzt. Im Totenbuch, Spruch 175, stellt Atum dem Gott Osiris in Aussicht, dass nur dieser gemeinsam mit ihm selbst den Weltuntergang überdauern würde. Sie würden sich in Schlangen verwandeln, welche im alten Ägypten u. a. als Gestaltwerdungen des uranfänglichen Chaos galten. Die Rolle der Schlangen ist im alten Ägypten stets ambivalent: Während der schlangengestaltige Dämon Apophis Nacht für Nacht die Fahrt des Sonnengottes durch die Unterwelt zu verhindern und damit die Schöpfung zu vernichten droht, sind es aber auch Schlangen, die den Sonnengott auf seiner Fahrt beschützen und ihm hilfreich zur Seite stehen. Sie sind schließlich auch ein wichtiger Bildspender für die Quelle der allnächtlichen Erneuerung. Sie veranschaulichen mit dieser zweideutigen Rolle exemplarisch, dass für die alten Ägypter der Gedanke der (relativen) Unsterblichkeit erst aus der Berührung mit dem Tod erwuchs. |